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Die Ruhe nach dem Sturm

Feiertage mit der Familie drehen sich ja immer um die gleichen Dinge: Essen, reden, streiten, aufräumen. Zwischendurch Spaß haben. So war es dieses Jahr auch bei uns, allerdings potenziert mit dem Faktor 18: Wir waren 13 Erwachsene, 4 Kinder und 1 Bébé. Das Haus war voll bis unters Dach. Hier die Zusammenfassung.

Essen
Mein Mann ist nicht der ordentlichste und planvollste auf Erden, aber ein zehntägiges Gelage für 18 Leute zu managen war für ihn ein Leichtes. Schon Wochen vor Festbeginn verschickte er eine Excel-Tabelle an alle Teilnehmer mit Wochentagen, Zahl essender Erwachsener und essender Kinder (sie reisten nicht alle am selben Tag an und ab), Menüfolge, Küchenteams. Die festlichen Dîners beanspruchte Monsieur selbst zu kochen (und wehe, es versuchte jemand helfend einzugreifen, siehe Punkt “streiten”).

Reden
Die Franzosen sprachen perfekt französisch. Und sonst nichts. Was zu bewundernswerten Improvisationen auf deutscher Seite führte: Meine Mutter kramte ihr 40 Jahre altes Schulfranzösisch hervor und vermittelte den Rest mit kreativen Gesten und Gesichtsausdrücken. Mein Bruder und seine Frau sind italophil, leiteten die lateinischen Wurzeln aus dem Italienischen ab und sprachen das nasal und mit französischer Satzmelodie aus.  Am Ende konnten alle in beiden Sprachen “Prost”, “mehr”, “Rotwein” und “danke” sagen.

Streiten
Oh ja. Und zwar in den universellen Paarungen, die seit Anbeginn der Welt bestehen und  ewig bestehen werden: Ehemann mit Ehefrau (darüber, was Bébé wann essen und nicht essen soll), selbige Ehefrau in ihrer Rolle als Tochter mit ihrem Vater (über die Frage, ob man nachts um 3 noch den Küchenboden wischen muss), Eltern mit Sohn (über den Zeitpunkt, wann Letzterer seine Geige holen und vorzuspielen hat), Freundin mit Freund (über die angemessene Reaktion auf einen Beinahe-Hundebiss beim Joggen), Schwiegersohn mit Schwiegervater (darüber, ob man mit dem teuren Wein kochten sollte), Schwiegermutter mit Schwiegertochter (über grundsätzliche Fragen der Lebensführung).

Spaß haben
Wir sind Ski gelaufen und Schlitten gefahren. Wir haben eine gotische Kathedrale besucht, in der ein getrocknetes Krokodil an der Wand hängt (dankbare Gabe eines Pilgers im letzten Jahrhundert). Wir sind durch Wald und Felder spaziert, zu Achtzehnt. Ich habe vier Kinder geschminkt, als Zauberschmetterling mit Glitzer, Zauberschmetterling mit mehr Rosa, als Narbengesicht und als Obi-Wan Kenobi. An Silvester gab es eine nächtliche Schnitzeljagd (was jemand mit chasse à l’escalope übersetzte und prompt rückübersetzt wurde als “Wickelfleischjagd”). Zwei Teams (Altersgruppe 4 Jahre / Altersgruppe 7-8 Jahre) suchten Teile einer Schatzkarte, die im Briefkasten, hinter dem Holzstoß, in einem Autowrack am Feldrand und in einer Jägerhütte im Wald versteckt waren. Die Kleinen gruselten sich ordentlich und die jungen Onkels steigerten das noch, indem sie Geräusche von Pyrenäenbären, schnarchenden Riesen und Darth Vader machten. Der “Schatz” (Silvesterkracher, Papphütchen und kiloweise Süßes) wurde schließlich auf einem verlassenen Bauernhof im Plumpsklo gehoben.

Aufräumen
Es wird noch Wochen dauern, bis die Wäschegebirge abgetragen, alle Legosteine gefunden bzw. weggesaugt und die hier vergessenen Dinge ihren Besitzern zugeordnet und zugestellt sind. Was wir gefunden haben:

1 pinkfarbenes T-Shirt
1 khakifarbenes T-Shirt mit Kassettenrekorder-Motiv
1 weißes italienisches Herrenhemd
1 Daunenfederbett
1 einzelner grauer Strickhandschuh
1 Mädchen-Unterbüx mit Aufdruck: “Love & Play”
1 Lesebrille
1 Ray Ban Pilotenbrille
1 schwarze Baskenmütze
1 Paar rotweinrote Wollsocken
1 grüne XL-Tupperdose
3 Typen Erkältungsviren (Zahl geschätzt), von denen sich mindestens einer bei mir richtig breit gemacht hat, was wiederum das Aufräumen erschwert
25 Haargummis (Zahl geschätzt), in diversen Farben

Und jetzt? Haben wir den Post-Feiertagsblues: wir sind ein wenig deprimiert, ein wenig auf Familienentzug. Ein wenig bedauern wir, dass wir nicht noch dieses und jenes zu diesem und jenem gesagt haben. Wir sind ein wenig glücklich, dass es vorbei ist. Und ein wenig mehr glücklich, dass es passiert ist.

Weihnachtliches Rambazumba

Immer donnerstags hab’ ich Zumba. Das ist keine Krankheit, sondern eine Mischung aus Aerobic, Bauch-Beine-Po und getanztem Boxen. Das Ganze zu lateinamerikanisch aufgemotzter Rummsbums-Musik. Zumba ist eine totale Geschmacksverirrung, aber die lustigste Art, in kurzer Zeit ein Höchstmaß an Energie weg zu zappeln.

In unserem Kurs sind überwiegend Dreizehn- und Vierzehnjährige (die aussehen wie fertige Frauen), zwei ältere Damen jenseits der 50 und ich. Unsere Vorzapplerin heißt Aurélie. Sie ist 33, blond und dauergewellt, mit schönen brauen Augen und Riesenlächeln. Riesig sind auch ihre Kraftreserven: Aurélie kann 90 Minuten lang hopsen, trampeln, springen und uns anfeuern – am Ende rinnt höchstens eine kleine Schweißperle von ihrem in Schreifarben verpackten Dekolleté herunter zum Bauchnabel, wo ein Plastik-Brilliant fröhlich mitwippt.

Am vergangenen Sonntag gibt Aurélie einen ganztägigen Zumba-Workshop und erscheint im knappen Weihnachtsmann-Kostüm. Ihre Nägel sind gold lackiert, in den Ohren glitzern Weihnachtskugeln. Aurélie ist sprühender Stimmung. Sie schmeißt ihren Laptop auf den Tisch, pult eine XXL-Hifibox aus einer Einkaufstüte, stöpselt beides zusammen und schon knallt uns der wahrhaft umwerfende Zumba-Sound entgegen.* “Alleeeeeeez, les filles!”, ruft sie in den Saal, na los Mädels! Wir ordnen uns in Reihen, schauen auf das wirbelnde Duracell-Mädchen da vorn und versuchen, ihr alles nachzumachen. Aurélie wechselt in irrem Tempo von schwingenden Salsa-Schritten zu afrikanischem Regentanz, schreitet dann ein paar Takte mit arrogantem Gesicht umher wie ein Torero, hüpft wie ein kleines Mädchen durch unsichtbare Pfützen und wirft schließlich lasziv den Kopf zurück, klappt die Augen halb zu und täuscht mit viel Hintern- und Busenwackeln einen Striptease vor. Dazu kiekst und quietscht sie wie Mickey Maus.

Keine Frage, die Frau ist ein Clown. Und wie alle guten Clowns kennt auch sie die Härte und Sorgen des echten Lebens. Aurélie war mal Frisörin, wurde schlecht bezahlt und schlecht behandelt. Sie schmiss den Job, entdeckte Zumba und machte sich als Tanzlehrerin selbständig. Das klappt ganz gut, erzählt sie, jedenfalls reicht es für sie selbst und ihre Tochter, die sie allein erzieht. Doch Aurélie tanzt von Montag bis Sonntag, sie muss mindestens zwei bis drei Kurse am Tag geben. Sehr lange wird das nicht mehr gehen, meint sie, denn sie hatte schon mehrere Knie-OPs und spürt die Überlastung im ganzen Körper. Es hilft, sich vor dem Tanzen schnell ein, zwei Zigaretten reinzuziehen, sagt sie ein bisschen verschämt. In Zukunft will sie versuchen, mehr Kurse für Kinder anzubieten, die sind weniger anstrengend.  Dann knipst sie die Nachdenklichkeit aus und sagt: Wenn ihr Planschkühe meine Choreographien besser drauf hättet, könnte ich mich an den Rand setzen! Riesengrinsen. Ach, Aurélie. Frohe Weihnachten.

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*Zumba macht vor nichts halt, noch nicht mal vor Edith Piafs Klassiker “La Foule”. Das klingt dann so:

Allein alles

Bébé und ich waren zwei Wochen allein zuhaus’. Monsieur/Papa befand sich auf Foto-Pirsch. Er kam mit reicher Beute zurück, ist sehr happy und ich – äh, keine Ahnung. Wie geht’s mir eigentlich? Das fragt man sich besser nicht während vierzehn Tagen und vierzehn Nächten mit Winzling, aber ohne Netzwerk aus Großeltern, Freunden und Nachbarn. Ich habe jetzt eine Ahnung, was sich hinter dem Begriff “allein erziehend” verbirgt. Er ist die Untertreibung des Jahrhunderts, denn in Wahrheit bedeutet allein erziehend, dass man von allen nur denkbaren Tun-Wörtern das Partizip bildet und ein “allein” voran stellt (es folgt eine winzige Auswahl): allein wickelnd und allein badend, allein einkaufend (einhändig, denn die andere Hand ist am Baby oder am Kinderwagen). Allein essend und fütternd, allein unterhaltend. Außerdem: Allein sich sorgend bei Husten, Stürzen oder feststeckenden Pupsen. Schließlich jederzeit: allein entscheidend. Vorübergehende oder dauerhafte Alleinerzieherinnen (und Erzieher, die soll es ja geben) können diese Liste sicher endlos fortsetzen. Ich ziehe meine Pudelmütze vor euch! Und auch vor mir, jawohl. Am Ende ist man wenigstens allein der Held.

Hoffen und Ofen

Markt in Aspet. Ich laufe ein bisschen durchs Dorf und schlüpfe zu Saint Martin herein. Was guckt mich an? Ein alter Ofen, der verdrießlich schaut. Rollt ihm da sogar eine gusseiserne Träne aus dem Auge? Wahrscheinlich hat es sich zu ihm herumgesprochen, dass Papst Franziskus die katholische Kirche erneuern will. Ich begrüße das. Doch für den Ofen stellen sich beunruhigende Fragen: Fängt Franziskus mit seiner Modernisierung womöglich in Saint Martin an und lässt eine Zentralheizung einbauen? Werden die Gläubigen dann nicht mehr zum Knacken des Kaminholzes auf die Knie fallen? Ihre nassen Handschuhe nicht mehr auf seinem Deckel trocken braten? Dies sind die Sorgen des Ofens. Ich kann ihn beruhigen. Er gehört noch lange nicht zum alten Eisen. Die Kirche wird weiterhin ein sicherer Ort für knallharte Kerle wie ihn sein. Unverrückbar altmodisch. Und schließlich sei er doch Katholik, da trägt man Hoffnung im Inneren wie ein ewiges Glühen. Hoffen und Ofen, flüstere ich, das spricht mein französischer Mann völlig gleich aus.

Da atmet er erleichtert ein wenig Ruß aus.

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Das mütterliche Drittel

Ich musste dringend mal runter von unserem Hügel. Hier ging mir in den letzten Tagen alles furchtbar auf die Nerven: das Landleben (Hausarbeit in Dauerschleife), der Mann (tagelang unterwegs auf Foto-Pirsch), das Baby (vor allem das!).

Bevor also noch was Schlimmes passiert, steigen wir ins Auto und fahren eine Stunde nach Süden, Richtung Spanien. Kurz vor der Grenze liegt das Heilbad und Ski-Städtchen Bagnères-de-Luchon. Hier haben schon die Römer Wellness gemacht. Bei der Ankunft freue ich mich gegen meinen Willen über ein Werbeposter der Thermalbäder: ein Murmeltier mit Handtuch-Turban. Es provoziert mein erstes Lächeln seit Tagen.

Wir nehmen die Gondel ins Ski-Gebiet und tauchen in 2000 Metern Höhe durch die Wolken in eine gleißend helle Welt aus Schnee und Licht. Die Saison hat noch nicht richtig angefangen und der Ski-Betrieb ist beschaulich: nur ein paar Läufer, die mit viel Platz durch den Pulverschnee schwingen (70 Zentimeter Neuschnee letzte Nacht!); ein paar Snowboarder in neonfarbenen Outfits; einige Rutsch-Zwerge auf kurzen Ski mit großen Helmen. Wir setzen uns in die Sonne ins Café, trinken Café, und ich atme ein und aus und durch.

Bébé interessiert sich für das weiße Zeug, das überall herum liegt. Wissensdurstige soll man nicht aufhalten, denke ich, und lasse das Kind den Schnee befühlen. Es lutscht daran und isst ihn schließlich auf. Später bekommt es davon schlimme Bauchschmerzen und beschimpft uns Eltern als verantwortungslos. Kann ich es denn niemandem Recht machen?! Egal. Der Tag hat eine kühlende, aufhellende Wirkung auf mich. Wir fahren wieder runter in die Wirklichkeit und beschließen erstens, dass Bébé zukünftig Pulvermilch bekommt, wenn mein Busen und ich Lust haben, uns vom Kind zu entfernen. Und zweitens engagieren wir einen Babysitter.

Bébé wird in den nächsten Tagen deutlich sagen, dass es weder mit der Pulvermilch noch mit dem Babysitter einverstanden ist (Laura, die Tochter des Schäfers). Tant pis, dumm gelaufen, wie der Franzose sagt. Das Kind ist schließlich nur ein Drittel der Familie und den anderen beiden Dritteln muss es auch gut gehen. Vor allem dem mütterlichen!

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Indoor-Grillen

Auf dem Weg zum Komposthaufen komme ich am Grill vorbei. Er sieht traurig aus, wie er so nass und kalt an der Garage lehnt, die Kohlenpfanne voller Regenwasser. Täusche ich mich, oder knicken sogar seine Stahlbeine ein bisschen ein?

“Der Grill ist traurig”, sage ich zum Küchenmeister,  als ich zurück ins Haus gehe. “Und ich bin es auch! Schon seit Wochen nicht mehr gegrillt, weil es regnet oder windet oder beides. Ist das hier jetzt Südfrankreich, oder was?” Monsieur setzt seinen “Arme-Barbaren-die-keine-Ahnung-vom-Essen-haben”-Blick auf, den er für Nicht-Franzosen reserviert und immer dann trägt, wenn ich Zucker in die Salatsoße tue, den falschen Käse zum richtigen Wein esse oder gar – quel scandale! – Bier zum Grillen trinken will. Wenn es ums Essen geht, ist er Patriot und Fundamentalist.

“Grillen wir eben drinnen”, sagt er. “Witzig”, pruste ich. Er seufzt und scheint sein letztes bisschen Geduld zusammen zu kratzen. “In Frankreich, meine Liebe, grillt man winters im Kamin. Rippchen, Galettes, Würste.” Er leckt sich die Finger. “Na logo”, sage ich, “das war aber in prähistorischer Zeit, als die Gallier in ihren Höhlen hockten und bevor es Polstermöbel, Teppiche und gefütterte Vorhänge gab, die nach dem Wohnzimmer-Barbecue für immer und ewig nach Fett und Rauch…” Da hat Monsieur genug von mir und geht einkaufen.

Und was soll ich sagen? Am Abend macht er ordentlich Feuer im Kamin und legt je einen halben Meter Lammbratwurst und normale Bratwurst sowie drei Lammkoteletts aufs Grillrost (wieso drei Lammkoteletts? Weil U. aus Hamburg zu Besuch war und auch nicht schlecht staunte über das Indoor-Grillen) Der Tisch wird im Wohnzimmer gedeckt, wir fischen knallheiße, cremige Folien-Kartoffeln aus der Glut und schmausen wie die Ritter der Tafelrunde. U. und ich dürfen Bier und Weißwein trinken, für den Franzosen kommt nur Rotwein in Frage.

Am nächsten Morgen riecht es im Wohnzimmer nach – nichts.

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Ein Haufen Holz

Kaminholzlieferanten sind kleine Könige. Je weiter die Temperaturen fallen, desto feudaler führen sie sich auf. Das fröstelnde Volk, das heizen will, muss sich ihren Gesetzen beugen. Die Gesetze lauten (gekürzte Auswahl):

1. Die ersten drei Kaminholzkönige, die man anruft, verkaufen einem kein Kaminholz. Warum nicht? Darüber schweigen sie grundsätzlich, denn sie sind dem Untertan keine Rechenschaft schuldig.

2. Trifft man endlich auf Gnade und darf eine Bestellung abgeben, beginnt die Lieferzeit des Kaminholzes. Sie ist lang. Wie lang genau? Siehe 1.

3. Ein Kubikmeter Holz ist  kein geschichteter Würfel mit 1 Meter Kantenlänge. Non! Ein Kubikmeter Holz ist ein Haufen Scheite, die in ein stählernes Kubikmaß gekippt werden. Mit sehr viel Luft dazwischen. (Das erfährt man aber erst bei der Lieferung)

4. Nach Wochen ungewissen Wartens wagt man einen zaghaften Anruf. Ob denn nun bald…? Non! Niemals ruft der Untertan Seine Majestät an. Immer ruft Seine Majestät den Untertanen an. Und zwar erst am Tag der Lieferung. Und wann das wohl sein mag…? Siehe 1. und 2.

5. Schließlich – welch königliche Geste – klingelt Freitagabend das Telefon. Am Folgetag werde das Holz geliefert. Tatsächlich: Heute morgen kurz vor acht Uhr heult ein Laster den Hügel rauf und kippt uns acht Kubikmeter Buche (die ja keine echten Kubikmeter sind) vor die Tür. Voilà, das macht 439,20 Euro inklusive Mehrwertsteuer. Ne Menge Holz für einen Haufen Holz. Könnten wir das überweisen…? Mais non! Nur bar oder Scheck.

Es heizt übrigens super ein, dieses Holz.

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Schnee!

Heute Morgen gegen acht Uhr. Ich: Fenster auf, Fensterläden auf, fast an der kalten Luft verschluckt. “Schnee!”, sage ich erschrocken und bin entzückt. Monsieur hat seine Kamera griffbereit wie der Jäger seine Flinte (nicht unterm Kopfkissen, aber fast). Er braucht zum Anziehen normalerweise 30 Sekunden, heute nur etwa 10. Und dann: Treppe runter poltern, Gummistiefel quietschen auf den Fliesen, Tür auf, rumms, Tür zu.

Minuten später ist das Licht schon fahler, der Nebel liegt nicht mehr so schön schleierhaft auf den Bäumen.  Aber Monsieur hat noch getroffen. Er kommt wieder rein und grinst zufrieden, als hätte er gerade einen Hirsch erlegt.

Erster Schnee

 

Luftschlösser

Wenn ich woanders bin, gucke ich mir Immobilienanzeigen an. Es ist eine Art Kontaktaufnahme mit der Gegend. Ich stelle mir dann vor, wie ich in die eine oder andere Immobilie einzöge, wo mein Sekretär hinkäme, wo Bébés Zimmer wäre und wo Monsieurs absurd wuchtiger Mineralienschrank, den er mal an der Uni abgestaubt hat, am wenigsten auffiele. Meine Phantasie-Umzüge sind mal mehr, mal weniger unrealistisch. In Paris, Biarritz oder New York muss ich unsere Berufe und Einkommensverhältnisse komplett ausblenden, damit der Tagtraum funktioniert. Immobilienanzeigen in solch horrend teuren Städten machen andererseits auch gute Laune, denn dort kostet eine schuhkartongroße Bude locker das Doppelte der Miete unseres Schuhkartons in Hamburg.

Hier in der südfranzösischen Provinz ist das anders. Man bekommt viel geboten für sein Geld (wenn man es denn hätte) und kann wild drauflos phantasieren. Jetzt werden Realisten einwerfen: “Aber die Lage! Kann man nicht vergleichen…” Weiß ich doch. Aber man wird ja wohl noch träumen dürfen. Zum Beispiel von diesem Schlösschen: 1000 qm, Nebengebäude 500 qm, Pool, Kapelle, plus fünf Hektar Land.

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Oder wie wäre es hiermit: 5 Zimmer, 268 qm, Garage für drei Autos, mit “kleinem” Park und Wäldchen. Das Buchsbaum-Ornament im Vorgarten würde ich allerdings verwildern lassen.

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Noch besser: Man sollte gleich ein ganzes Dorf kaufen und dort die Familie und beste Freunde ansiedeln: 6 Häuser auf 1,2 Hektar Land mit dem schönsten Blick des 9. Départements (Ariège). Ach, ja. Lage, Lage, Lage…

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