Gestern Abend telefonierte ich mit S. S. ist ein von mir sehr geliebter, kritischer Geist. Was ich aus Frankreich berichte, sei alles ganz wunderbar. Zu wunderbar, sagte S. Wenn das ein Jahr lang so weiterginge, würde sie sich langweilen und die anderen Leser auch. Immer dieser blaue Himmel, immer diese Genüsse, es sei unerträglich. Das erinnert mich an den Spruch des koreanisch-amerikanischen Künstlers Nam June Paik, der in München studiert hat und deshalb den schönen denglischen Satz prägte: “When too perfect, lieber Gott böse.” Ich habe zwar nicht den Eindruck, dass mir irgendeine höhere Macht gerade gram ist. Aber man weiß ja nie. Vorsichtshalber folgt daher nun eine Top-5-Negativliste meines aktuellen Lebens. Voilà.
1. Mir fallen die Haare aus. Sie sind überall: auf den Fliesen im Bad, in den Abflüssen, im Bett, auf meinen Pullovern, selbst in Bébés Windeln. Sie fallen mir strähnchenweise aus, Geheimratsecken rücken unaufhaltsam meine Stirn hinauf. Der klägliche Rest meiner Haare ist fisselig und schlapp. Das ist nach einer Schwangerschaft völlig normal, weiß das Internet und tröstet mich damit überhaupt nicht.
2. Gestern Abend ging die Schermaschine kaputt, mit der Monsieur die Wiese rodet. Das Monstrum ist nun beim Landmaschinenfachmechaniker und nur er und der Himmel wissen, was die Reparatur kosten wird.
3. Monsieur hat vergessen, seine BahnCard abzubestellen. Wir schenken der Deutschen Bahn nun 250 Euro für ein ganzes Jahr Nichtbahnfahren.
4. Die Franzosen nerven. Beispiel: Ich gehe in einen Haushaltswarenladen, um einen neuen Filter für unseren Dunstabzug zu kaufen. Unverschämterweise betrete ich das Geschäft, ohne den französischen Fachausdruck für Dunstabzugshaubenfilter zu kennen. Die Verkäuferin lässt mich meinen Fehler spüren, denn auf meine Umschreibungen reagiert sie mit einem erstaunten, spöttischen Gesicht. “Ça n’existe pas”, so etwas existiert nicht, sagt sie. Und was nicht existiere, führe der Laden nicht. Doch, flehe ich, bestimmt haben Sie so was auch in Ihrer Küche, es ist wirklich ein simples Allerweltsteil… Non, sagt sie. Ça n’existe pas. Frankreich ist sprachliche Monokultur, hier gedeiht nichts außer perfektem Französisch, und sie düngen es mit Arroganz.
5. Bébé besteht auf seinem Drei-Stunden-Stillrhythmus, den er seit Geburt eisern einhält. Auch nachts. Daran ändert das kleine Mittagessen aus Kartoffel-, Süßkartoffel- oder Kürbispüree rein gar nichts, das er seit Neuestem zu sich nimmt und in das ich große Hoffnungen gesetzt hatte. Ich schlafe also immer noch nicht durch und bin daher des öfteren unkonzentriert, übellaunig und uninspiriert.
Zufrieden, liebe S.?