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Einpacken, auspacken, einpacken

Existenzielle Fragen stellten sich heute morgen gegen sechs Uhr: Ist das Saxophon wichtiger als der Maxi Cosi? Kommt man auch mit nur zwei Winterpullis klar? Hat man in den Pyrenäen für ein Abendkleid Verwendung? Dann müssten aber auch die passenden Schuhe mit!

Das Auto war voll und auch in den Anhänger hätte keine Maus mehr gepasst. Trotzdem standen immer noch Kartons auf der Straße. Monsieur fluchte ein paar mir unverständliche Flüche. Ich gab der Babyhängematte einen Schubs und flehte, dass das Kind weiterdöste. Dann packten wir alles wieder aus. Das Wichtigste wieder ein. Den Rest wuchteten wir fünf Stockwerke hoch auf den Dachboden, zum anderen Rest. Monsieur verrenkte sich dabei den Rücken und schlug sich noch den Schädel an der Heckklappe auf. Pflaster drauf, Baby anschnallen, Navi an – und los.

Die Vorgeschichte

„Wir sollten mal…“, sagte ich sehnsüchtig zu meinem Mann, wenn der Regen in Hamburg wieder von allen Seiten kam und auch von unten. „Oui“, sagte er dann. Ich: „Stell dir vor! Wir würden dieses gelbe Ding am Himmel wiedersehen, wie heißt das noch gleich? Das müsste doch irgendwie machbar…“ Er: „Oui.“

Seit mein Mann mein Mann ist, will ich leben wo er herkommt. Oder besser noch ein bisschen südlicher. In Südfrankreich. Wo sich die meiste Zeit des Jahres ein blauer Himmel aufspannt, wo Eidechsen über aufgeheizte Mauern flitzen und der Rosmarin für die Lammkoteletts im Garten wächst. Das Ganze nicht allzu weit vom Meer entfernt, s’il vous plaît. „Oui“, sprach mein Franzose und telefonierte ein bisschen in der Verwandtschaft herum.

Dann ging alles ganz schnell. Wir erwarteten ein Baby, das zugehörige Elterngeld würde bald wie warmer Landregen aufs Konto nieder kommen und uns freie Zeit kaufen – und plötzlich gab es da auch ein Haus für uns. Von der Schwester einer Freundin der Tante mütterlicherseits meines Mannes. Es läge mitten in den Pyrenäen auf einem Hügel oberhalb eines 330-Seelen-Dorfs. Da sei absolut nichts los, warnte man uns. Wir sollten hinfahren und es ansehen. Fühlt euch aber zu nichts verpflichtet, hieß es. Wir fuhren.

Es war noch Winter, die Berge trugen dicke Mützen aus grauem Nebel. Im Haus brannte ein Feuer im Kamin, auf dem man ein Schwein hätte rösten können. Die Besitzer, ein franko-deutsches Paar wie wir, führten uns herum; alte Treppen knarrten, himmelblaue Fensterläden wurden knirschend aufgestemmt. Schon nach wenigen Minuten ging es um Details: Bei der Toilette handle es sich um eine echte Landtoilette, also ohne Anschluss ans Abwassersystem. Deshalb müsse man regelmäßig Bakterien ins Klo kippen, die dann den ganzen Schiet und so weiter. Am besten sollten wir das immer am Samstag machen, denn die Bakterien im Tank seien es gewöhnt, samstags Verstärkung zu bekommen. Ach ja, in der Garage stünden Skier in allen möglichen Größen und ein kleines Auto für die Fahrt zum Lift. Der Schlüssel steckt. Miete? Davon wollten die Besitzer nichts hören. Aber wenn wir im Sommer bitte den Rasen mähen und im Herbst den Feigenbaum abernten würden…

Mein Franzose und ich sahen uns an. Wie jetzt. Dieses Haus, dieser Garten, dieser Ausblick. Für uns allein, für ein Jahr. Gibt’s das, so viel Großzügigkeit? Wir freuten uns scheckig, kapierten es aber nicht so richtig.

Es wurde Frühling in Hamburg, es regnete von unten und von den Seiten – egal. Wir frühstückten in Gedanken schon draußen vor großem Bergpanorama. Das Baby kam. Und schließlich die Zeit der Abreise…

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