Unter Ökos

Zwei Täler von uns entfernt, in Arbas, trafen sich am Wochenende die Bio-Vertreter der Region. Die Stände waren rund um das Rathaus aufgebaut, von dessen Dach ausnahmsweise nicht die Trikolore, sondern ein Banner mit gemaltem Obst und Gemüse wehte. Viel junges Volk war da, in Gummistiefeln, mit seltsamen Hüten, bunten Klamotten und deutschen “Atomkraft, nein Danke”-Stickern auf den Rucksäcken. Bio ist hier noch Avantgarde und Sache einer hippieesken Minderheit.

Neben chemiefrei erzeugtem Grünzeug, Brot, Käse und Honig gab es zu bestaunen: Waschmaschinen mit Fahrradantrieb, Öko-Klos mit Torf/Bakterien-“Spülung”, eine Pflanzenapotheke, pflanzlich gefärbte Wolle von glücklichen Schafen, Fellpantoffeln aus glücklichen Schafen mit Naturkautschuk-Sohle. Ich bestelle zwei Paar aus lockigem Fell, die der Kürschner erst noch nähen muss und verabrede mich mit ihm für nächste Woche in seinem Atelier.

Was noch? Eine Art “Bank” mit alternativem Geld. Interessante Sache, die es in ganz Frankreich unter dem Namen SEL gibt (Système d’Echange Local): Die Mitglieder handeln mit Waren und Dienstleistungen auf Basis einer Fantasie-Währung. In dieser Gegend ist das der “Cagire” (so heißt auch der hiesige höchste Berg). 1 Cagire entspricht einer Minute Arbeitszeit. Wenn also beispielsweise Antoine eine Stunde lang Michelles Rasen mäht, hat er 60 Cagire verdient. Dafür macht dann Michelle eine Stunde lang Gilles abgestürzten Computer wieder flott, wofür sie wiederum ihr Kleinkind für 60 Minuten bei Céline parkt usw. Vielleicht wäre das ja DIE Lösung für die Euro-Krise?! Manche der Ökos hier meinen das durchaus ernst.

Während ich noch überlege, ob ich hier und jetzt Mitglied werden soll (1000 Cagire Startguthaben!), parliert Monsieur mit einem freundlichen Jean, der aus Kalk, schwarzer Seife und Farbpulver keramikartige Fußböden, Badewannen und Oberflächen herstellt.  Eine alte Technik aus Marokko, erklärt er. Reines Naturprodukt, wasserdicht, langlebig, hautschmeichelnd. Und tatsächlich fühlt sich das Zeug wunderbar an, wie ein polierter Flusskiesel. Man möchte sich drauf  rollen.

Gegen Nachmittag setzt dann eine Rock-Band der Idylle die Krone auf. Die Jungs spielen Hardrock, als wären wir das wichtigste Publikum der Welt. Ein Regenschauer lässt sie völlig kalt, nur der Mann am Mischpult bekommt eine Plane übergezogen, gehalten von zwei Besenstielen. Dazu turnt ein Mensch im blauen Schlafanzug durch die Menge, um eine Modenschau anzukündigen (man sieht ihn in der Mitte des Fotos, gleich unter dem Pappschild, das auf eine Wickelecke hinweist). Das defilée zeigt Selbstgenähtes, Selbstgehäkeltes, Selbstgefärbtes; ein als Bauernbraut und Bauernbräutigam verkleidetes Pärchen führt die Kollektion an. Dazu kreischen die E-Gitarren immer härter, der Sänger brüllt ins Mikro, natürlich auf Französisch. Bébé fasst es kaum und macht Kulleraugen. Es ist alles wunderschön.

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One thought on “Unter Ökos

  1. Hallo ihr Lieben in Frankreich, euer Blog macht Spass. Wir konnten uns bis jetzt noch nicht mit Frankreich als Urlaubsziel anfreunden, obwohlwir beide Französisvh in der Schule hatten, aber auch wieder viel – oder fast alles vergessen haben. Aber je mehr ich lese und sehe, je mehr würdees mich doch malreizen dort hin zu fahren, die Gegend sieht toll aus und zum Wandern scheint es dort ja auch Möglichkeiten zu geben. Also weiter die Gegend erkunden und uns in Deutschland, das zur Zeit immer kälter und teilweise ungemütlich wird, mitteilen. Das mit dem Wein fände ich auch interessant. Anja

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