Hollande und Höhlenbären

Da passiert auf unserem Hügel wochenlang nichts Aufregendes – und dann, vergangenen Samstag, muss ich mich zwischen zwei Highlights entscheiden. Das kam so:

In diesem Jahr fand das Jahrestreffen des örtlichen Speleologen-Vereins in unserer Küche statt. Speleo was? Höhlenforschung. (Spelunke, schummrige Kellerkneipe, ist mit dem Begriff verwandt). Speleologie ist in Frankreich ein verbreiteter Abenteuer-Sport und sogar ein Beruf für Hartgesottene, die davon leben, hunderte von Metern in kalte, nasse Gänge zu kriechen, Karten zu erstellen, Gesteinsproben zu sammeln oder Touristen die Freuden der Unterwelt nahe zu bringen. Die Pyrenäen sind durchlöchert wie der Brébis-Schafskäse, der hier gemacht wird, und damit ein einziger großer Speleo-Spielplatz.

Monsieur ist gleich nach unserer Ankunft Mitglied des Vereins geworden, um sich sonntags dem größten Vergnügen hinzugeben, das es für ihn auf Erden gibt: im reißfesten Overall, mit Helm und Stirnlampe irgendwelchen unterirdischen Flüssen zu folgen. Er kommt von solchen Expeditionen glücklich und unfassbar verdreckt zurück. Nun also wollten etwa 20 seiner Kollegen bei uns tagen, ihren vorsitzenden Höhlenbären, dessen Stellvertreter und den Schatzmeister in ihren Ämtern bestätigen. Monsieur und eine Höhlenbärin (ja, die gibt’s auch!) kochten zu diesem Anlass ein halbes Schwein auf Reis.

Ich wollte dabei sein, um Leute kennen zu lernen, ein bisschen französisch zu sprechen und dem Speleologen-Garn zu lauschen, das zu fortgeschrittener Stunde sicher reichlich gesponnen wurde: “Weißt du noch, damals, als wir 800 Meter tief im Berg fest saßen und das Wasser immer höher stieg…” (Monsieur hat so etwas tatsächlich schon erlebt. Ein Alptraum, jedenfalls für mich, die ich in Hamburg wartete und fast schon ein schwarzes Trauerkleid in den Koffer gepackt hätte. Aber das ist eine andere Geschichte).

Doch dann rief ein gewisses Nachrichtenmagazin aus Hamburg an, für das ich arbeite, wenn gerade kein Baby an meinem Busen hängt. Der Kollege  vom Auslandsressort entschuldigte sich 37 Mal für den Anruf (sonst sind die nie so zimperlich) und fragte, ob ich zu einem Artikel über François Hollande beitragen könne. Die Boulevard-Presse hat ja gerade einen gnadenlosen Scheinwerfer in die total unaufgeräumten Beziehungskisten des Präsidenten gehalten, und auch beruflich könnte es besser für ihn laufen. Ist also Stoff für den stern.

Am Samstag wurde Hollande in Tulle erwartet, etwa 350 Kilometer von hier. Dort begann seine politische Karriere einst als Bürgermeister. Hollande wollte da rund 1400 handverlesenen Bürgern persönlich ein schönes, neues Jahr wünschen (Diese voeux, die präsidialen Neujahrwünsche, haben Tradition in Frankreich). Ich fuhr also nach Tulle, ein hübsch langweiliges Städtchen, und trieb ich mich auf dem Markt und in den Cafés herum, um die Leute nach ihrem berühmtesten Mitbürger auszufragen (“Ah oui, der François ist ein guter Typ, so warmherzig! Seine Frauen? Naja, für Gefühle kann man ja nichts.”) Hollande ist beliebt in Tulle, was auch daran liegen mag, dass sich die Zuschüsse aus Paris für das Départment um ein Hundertfaches erhöht haben, seit er Präsident ist.

Am Nachmittag kam er dann in eine Mehrzweckhalle am Ortseingang und spulte 40 Minuten lang Phrasen ab. Es lebe die Republik! Es lebe Frankreich! Tätää, dann spielten sie die Marseillaise vom Band. Die internationale Journaille von BBC bis New York Times wartete vergebens auf ein Wörtchen zu der Frage “Valérie oder Julie?”. Hollande wirkte müde, verschlossen und so glatt wie seine an den Kopf geklebten Haare.

Ich fuhr etwas ratlos wieder nachhause. Bei der Lokalzeitung im Münsterland, wo ich ganz früher mal gearbeitet habe, hätten wir zu so einem Termin gesagt: Nullnummer, gab nix her. Wir drucken stattdessen den Text über das Ostereiermalen im Altenheim. Aber das kann ich beim stern nicht bringen, also ging’s nachhause und noch in der Nacht an den Schreibtisch, um  einige halbwegs sinnvolle Zeilen zu dichten (wovon die Redaktion am Ende wahrscheinlich 3,5 abdruckt). Egal – es hat trotzdem Spaß gemacht. Die Wachtelei-Häppchen, die nach Hollandes Rede herumgereicht wurden, waren köstlich. Aber beim nächsten Mal, Monsieur le Président, entscheide ich mich für die Höhlenbären!

Pressepass_Tulle2

 

2 thoughts on “Hollande und Höhlenbären

  1. Genau, so kennen wir Dich, Helen, dienstlich und privat: punktgenau, direkt ohne Umschweife, immer ganz nah am Thema, ein wenig bissig, gemischt mit Ironie, eben nicht zimperlich.
    Wenn es den Höhlenbären im “Maison Bleu” gefallen hat – was ich voraussetze- so kommen sie vor dem Sommer bestimmt noch mal wieder, mit oder ohne Schwein.
    Sollte das nicht so sein, müsstest Du mal mit in die Unterwelt kriechen, um das Feeling der Truppe genauer zu analysieren.
    Ich würde mich jetzt schon auf Deinen Blog freuen.
    Mit dieser Hoffnung liebe Grüße aus dem Norden

  2. Es lebe der Höhlenbrüter und hollande besser spelunker . Toll wir werden Adelheid am 23. Januar bejubeln.!,,! Meinolf

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