Pantoffelzeit

Über Nacht hat unser Hausberg, der 1912 Meter hohe Cagire (sprich: Kah-schier), eine Mütze aus Schnee bekommen. Der Herbst ist da! Naja, was man hier im Tal so Herbst nennt: Tagsüber sind es immer noch 20 Grad und mehr, die Wäsche dampft auf der Leine in kürzester Zeit trocken und ich turne zwei Mal täglich durch den Feigenbaum, weil die Feigen jetzt so schnell reifen, dass man dabei zusehen kann. Bisher haben wir daraus Feigenmarmelade, Feigentarte, Feigensenf und karamellisierte Feigen (jaa, mit Vanilleeis!) gemacht. Wem noch mehr einfällt, möge sich schleunigst melden, bevor wir (oder der Baum) unter der süßen Last zusammenbrechen.

Trotzdem tun wir so, als würde es bald Winter und sorgen vor. Monsieur hat zehn Kubikmeter Kaminholz bestellt, allerschönste Eiche. Was für eine Verschwendung, sage ich. Sollte man daraus nicht besser Stühle und Schränke für die Ewigkeit zimmern…? Aber die Pyrenäen sind nun mal verschwenderisch dicht mit Eichenwäldern bewachsen, es ist das billigste Holz hier. Hoffentlich brennt es auch eine halbe Ewigkeit.

Herbstvorsorge Teil 2: Wir fahren zu Patrick, dem Kürschner. Ich hatte ihn letzte Woche auf einem Markt kennengelernt und zwei Paar Fellpuschen bestellt, naturweißer Plüsch mit Kautschuksohle. Patrick und seine Frau Sylvie haben nicht weit von uns ein Holzhaus mitten in die Landschaft gestellt. Unten ist das Atelier, oben wohnen sie mit zwei Teenagern. Patrick ist in jungen Jahren durch Frankreich gereist und hat Rock- und Chansonbands mit Lederklamotten und Accessoires ausgestattet. Dann lernte er Sylvie kennen, sie lockte ihn aus seinem Nomandenleben in die Pyrenäen. Es wurde Zeit, “was Vernünftiges” zu machen, wie Patrick erzählt. Das war vor 30 Jahren. Seitdem handarbeiten er und Sylvie Pantoffeln, Westen, Mützen und Teddys aus Schaffell (sorry, liebe Rechtschreibreformer, ich kann das einfach nicht mit drei “f” schreiben, das sieht doch aus wie orthografische Schafsch…). Patrick erfindet die Schnittmuster und schneidet die Felle zu, Sylvie näht und stickt Teddyaugen, Teddynasen und Pantoffel-Deko. Beide tragen eine bunte Feder im Haar, “anstelle von Eheringen”, sagt Patrick. “Sylvies Feder ist länger als meine, weil sie der Boss ist.” Woraufhin der Boss heftig protestiert, ihren Mann dabei aber strahlend anlächelt.

Geld hat die Beiden nie besonders interessiert (wer mehr über Schaf- Schaffell- und Pantoffelpreise wissen will, lese die Fußnote*) Es reiche halt für ein gutes Leben, sagt Patrick. Jetzt im Herbst ist Pantoffel-Hochsaison und Patrick und Sylvie haben gut zu tun; aber im absatzschwachen Frühjahr, nach der Pantoffel- und vor der Touristensaison,  verbringen sie die Tage mit Lesen, mit Gartenarbeit, miteinander.

Je mehr die zwei Pantoffelmacher erzählen, desto mehr mag ich sie und ihr kruschteliges Haus. Nach gut zwei Stunden verabschieden sie uns mit einer Tüte Tomaten aus dem Garten, einem Teddy für Bébé und einer Einladung zum Mittagessen. Patrick will in den nächsten Wochen noch ein langfloriges Fell für Bébés Kinderwagen besorgen und schwört, dass Babys auf Naturfellen besser schlafen und überhaupt insgesamt glücklicher sind. Na dann. Der Herbst kann kommen.

*Ein lebendes Schaf kostet in dieser Gegend etwa 200 Euro. Dessen rohe Haut ist etwa fünf Euro wert. Für ein aufbereitetes Fell zahlen Patrick und Sylvie etwa 30 Euro pro Stück, aus dem dann sechs bis zehn Paar Pantoffeln werden, die je nach Größe zwischen 18 und 39 Euro kosten. Wie viele Paare Patrick und Sylvie im Jahr verkaufen, können sie nicht genau sagen, es sind wohl einige Hundert.

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3 thoughts on “Pantoffelzeit

  1. Liebe Helen,
    da bleiben die Füße von klein Ernest sicher ganz warm – dann kümmere ich wieder um Sommersöckchen?
    Oder für die Innensocken?
    Übrigens: Feigen kann man auch trocken – fädel sie auf und häng sie in die Sonne oder so?!
    Oder frag die Mama, oder deine Nachbarn. Ich weiß nicht, wie man es macht, ich bin nur für den Verzehr zuständig
    Schöne Grüße aus Coesi

  2. Wenn Du Feigen aus dem Feigenbaum holen willst, darfst Du nicht feige sein, denn Du kannst verloren gehen zwischen den Riesenzweigen, man sieht Dich ja kaum noch und du kannst rutschen auf feuchten Ästen. Um diese noch näher heranzuholen ist ein Regenschirm mit Krücke sehr hilfreich….. aber auch gefährlich… Wie war das? Du darfst nicht feige sein, wenn Du nach den Feigen greifst.

  3. Feigenpastetchen::
    Eine kleine Ofenfeste Pastetchenform (oder irgendein Pöttken, was im Ofen nicht kaputt geht) wird mit Butter oder Öl eingestrichen und mit einer Scheibe Tiefkühlblätterteig, die zuvor so 10 min angetaut wurde, ausgekleidet. Sehr hübsch sieht es aus, wenn man die Zipfel überhängen läßt, wie eine Serviette in einem Brotkörbchen. Dann schneidest Du eine Feige halb durch und legst sie mit den Schnittflächen nach oben in das Bettchen. Darauf stapelst Du Ziegenkäse, ich mach das immer mit Chèvre. Dann eine Pampe aus Sahne und Ei und Schnittlauch und Salz und Pfeffer darüber gießen. Reste von Creme Freche oder Frischkäse lassen sich hier auch wunderbar verwerten. Ein bisschen Käseraspeln oben drüber und ab in den Ofen damit. Ca. 180°C und ungefähr 25 min, also so, dass die überstehenden Blätterteigzipfel schön braun sind. Voilà! Bon Appetit! Ich bin ein bisschen neidisch auf den Feigenbaum 🙂

    p.s. Wo würde ein Neurechtschreibender denn in Schaffell das 3. f unterbringen?? Schaff-Fell???

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