Unser täglich Peng

In unserem Dorf gibt es keine Bäckerei. Dem Franzosen im Allgemeinen und meinem im Besonderen ist jedoch sein täglich Brot heilig; ja, er lebt in permanenter Sorge, es könne zuwenig pain im Haus sein (das wird im Süden übrigens wie “peng” ausgesprochen. Und auch die anderen total affektierten Nasal-Laute des Französischen erleben hier eine wunderbare Wandlung, sie klingen plötzlich erdig und ehrlich: romarin, Rosmarin, wird zu “romareng”; matin, der Morgen, ist “mateng”. Ich finde das très “bjeng”)

Aber zurück zur Bäckerei! Es gibt, wie gesagt, keine. Dafür aber eine Bäckerin. Sie heißt Emmanuelle und wohnt links hinter der Kirche St. Sébastien in einem Ein-Zimmer-Holzhaus. Dort wohnen auch noch ihr Mann Cédric, ihre beiden Söhne, vier greise Hunde (allesamt Pflegefälle, die Emmanuelle von der Straße aufgelesen hat) und unzählbare Katzen und Kätzchen mit gesprenkeltem, geflecktem, buntem und einfarbigem Fell.

Montags und dienstags backt Emmanuelle in einem Schuppen neben dem Haus. In ihrem dunklen Haar steckt ein Bleistift, um die Bestellungen zu notieren; sie selbst steckt bis zu den Ellenbogen in einem sarggroßen Holztrog und knetet an zwei Tagen etwa 100 Kilo Teig – von Hand! Das Mehl ist bio und kommt aus einer solarbetriebenen Mühle. Der Ofen wird mit Holz geheizt; die Nische dahinter ist im Winter der Lieblingsplatz der zittrigen Hunde-Opas, erzählt Emmanuelle.  Eigentlich dürfe ja kein Tier in die Backstube, aber… Das Herz der Bäckerin scheint mir so groß und weich wie ein Hefezopf, so dass sie sicher mal ein Auge zudrückt.

Emmanuelle backt Brote à 500 Gramm, 800 Gramm und ein Kilo, mit oder ohne Körnermischung, mit oder ohne Rosinen. Am Abend langt sie dann mit einem Holzspaten in die glutheiße Trommel des Ofens, klopft, dreht und wendet ihr Backwerk und erfüllt Sonderwünsche nach sehr blonden, blonden und dunkel gebackenen Laiben. Zwischen 17.30 Uhr und 20.30 Uhr kommt dann das halbe Dorf angeschlendert und kauft die Wochenration “peng”. Emmanuelle verdient damit nicht viel, sie macht etwa 60 Euro Gewinn pro Woche wenn es gut läuft. Aber das findet sie auch nicht so wichtig. Sie mag das Gefühl von frischem Teig an ihren Händen, den würzigen Duft, der aus dem Ofen kriecht und das Geräusch, wenn sie prüfend auf die warme Brotkruste klopft. Ist es gar…? Wird es schmecken…?

Es schmeckt. Sehr. Wir waren heute bei Emmanuelle, nächste Woche wieder.FRT_5790FRT_5797

 

4 thoughts on “Unser täglich Peng

  1. Grüß mir diese wunderbare Frau mit dem Hefezopfherz und dem animalen Seniorenheim. Vielleicht sind wir Seelenverwandte 🙂 Ich nehme Deinen Bericht als Inspiration und backe heute aus den Körnern im rotkarrierten Säckchen von Deiner Mama endlich mal ein Brot, damit sie nicht nach und nach noch komplett an die Eiermädchen verfüttert werden. Die Kruste widmen wir in Liebe und Verbundenheit Dir und Emanuelle.

  2. Ihr Lieben
    beim Lesen rieche ich förmlich das frische Brot – so lecker
    und erinnere mich an alte Zeiten, wenn ich auf dem Weg vom Bäcker Tübing zurück nach Hause immer das Fettbrot angeknabbert habe-so so lecker
    Du findest so schöne Worte
    Schöne Grüße aus Coesi und Danke für den schönen Blog
    P.S. Wenn Bebe kalte Füße bekommt schreib eine Geschichte drüber, dann kommt Nachschub;-)

  3. Ihr Lieben,
    ja das mit dem “Peng” ist wohl wahr. In den Ferien hatte ich die Zeitumstellung vergessen und kam so eine Stunde zu spät in die Bäckerei. Kein Brot mehr da! Die Bäckersfrau wollte mich trösten und versprach mir für morgen früh neues frisches Brot: “Demeng mateng on aura du peng!” Eigentlich wollte ich nur hilflos mit den Achseln zucken, doch bei so viel Peng, Peng, Peng hob ich verstört die Hände und ertränkte meinen Hunger in etwas zu viel Veng.
    Liebe Grüße von Säckel

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